NEWS von Dienstag, 20.03.2018

Fragen und Antworten zum "Straubinger Modell"
„Die Reaktion der Wettkunden hat mir Recht gegeben!“

Josef Schachtner, Vorsitzender des Zucht- und Trabrennvereins Straubing, stellt sich den Fragen zur Funktion und den Hintergründen zum „Straubinger Modell“ eines deutsch-französischen Totalisators:


Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Straubinger Modell“?
Der Rennverein Straubing hat eine Erlaubnis für den Betrieb eines kooperativen deutsch-französischen Totalisators erhalten, selbst wenn die Rennen nicht in Straubing, sondern auf einer anderen deutschen Rennbahn gelaufen werden. Damit haben alle Trab- und Galopprennvereine in Deutschland die Möglichkeit, das „Straubinger Toto-Modell“ bei ihren PMU-Rennen zu nutzen – mit einem kleinen Umweg: Der Totalisatorbetreiber ist der ZTV Straubing. In der Praxis bedeutet dies vereinfacht gesagt: Jeder PMU-Veranstalter in Deutschland hält seine Rennen auf seiner Rennbahn ab, der Straubinger Rennverein ist Betreiber eines Totalisators für die bei der PMU angebotenen Wettarten. In Kooperation mit GermanTote und der PMU werden die Wetten in Straubing „gesammelt“, hier die Abzüge durch unseren Dienstleister GermanTote und die Rennwettsteuer einbehalten. Der Netto-Betrag wird nach Frankreich weitergeschickt, mit dem französischen PMU-Nettopool zusammengeführt und daraus eine gemeinsame Gewinnquote errechnet. Wichtig ist: Jeder Rennverein kann selbst entscheiden, ob er das Modell nutzen, oder weiterhin einen eigenen deutschen Toto mit den parallelen Wettarten Sieg, Platz und Zweierwette anbieten möchte.

Was bedeutet das für den Wettkunden?
Eine Fülle von Vorteilen. Durch die geringen Abzüge profitiert er im Gewinnfall von höheren und vor allem auch stabilen Quoten. Die Gewinnpools in Frankreich haben andere Dimensionen als in Deutschland. Dazu kann er auf das gesamte Wettangebot der PMU auch auf der Bahn zurückgreifen. Er muss nur einen Frankreich-Wettschein verwenden, der in deutscher Sprache konzipiert und dem deutschen Wettschein sehr, sehr ähnlich ist. In Straubing funktioniert das wunderbar, dann wird es auch auf den anderen Bahnen funktionieren.

Muss der Wetter dann auf die Dreier- und Viererwetten verzichten?
Auf keinen Fall! Die Dreier-, Vierer- und die V-Wetten können und sollen auch weiterhin angeboten werden, aber natürlich nur auf dem deutschen Wettmarkt. Deswegen brauchen die Rennveranstalter auch weiterhin eine Totalisatorerlaubnis ihres jeweiligen Bundeslandes. Der Kunde kann den gewohnten deutschen Wettschein verwenden. Auch wenn sich ein Rennveranstalter entscheidet, mehr als die vorgegebenen PMU-Rennen zu veranstalten, muss er alle Wettarten in den Nicht-PMU-Rennen dann am deutschen Toto anbieten.

Wie hoch sind die Abzüge?
Die Abzüge, die der Rennverein Straubing als Totalisatorbetreiber einbehält, entsprechen den Abzügen des Partner-Totalisators in Frankreich. Es wird immer der gleiche Netto-Betrag in den Netto-Pool weitergeleitet, aus dem dann die Gewinnquote errechnet wird. Das ist ja auch notwendig, sonst würde es ja zu einer Ungleichbehandlung des französischen oder deutschen Wettkunden kommen. Am geringsten sind die Abzüge in der Sieg- und Platzwette, die bei unter 15 Prozent liegen, über 85 Prozent gehen in die Ausschüttung. Der höchste Abzug wird in den Multi-Wetten genommen, der bei 31 Prozent liegt, so dass 69 Prozent in den Gewinnerpool gehen. Wichtig ist zu wissen, dass in den Abzügen die deutsche Rennwettsteuer bereits einberechnet ist, also in der Siegwette bei den 14,65 % Abzüge auch die fünf Prozent Rennwettsteuer bereits enthalten sind.

Warum hat ausgerechnet Straubing diese Totalisatorerlaubnis erhalten und kein anderer Rennverein?
Grundsätzlich kann jeder bayerische Rennveranstalter einen entsprechenden Totobescheid erhalten und auch die Rennwettsteuer-Rückerstattung in Anspruch nehmen. Die Abwicklung und Nachweisung der Mittelverwendung ist aber etwas komplexer als beim rein deutschen Totalisator, so dass wir uns in Straubing schon etwas Expertise angeeignet haben. Aber grundsätzlich vertritt die Landesanstalt für Landwirtschaft Bayern (LfL) zurecht die Auffassung, dass die Rennen in Deutschland stattfinden, die Wette in Deutschland getätigt und entsprechend versteuert wird, die Abzüge in Deutschland vorgenommen werden und damit unter ihrer Aufsicht zum Wohle der Landespferdezucht verwendet werden. Deshalb gewährt sie auch die Rennwettsteuer-Rückerstattung.

Wo lagen die Schwierigkeiten?
Es handelt sich beim „Straubinger Modell“ um absolutes Neuland. Noch nie hat bislang ein Rennverein eine Totalisatorerlaubnis für Rennen erhalten, die nicht auf dessen Bahn stattfinden, sondern sogar noch auf Rennbahnen in einem anderen Bundesland. Insofern haben wir gemeinsam mit GermanTote zuerst Überzeugungsarbeit bei den Mitarbeitern der LfL und unseres bayerischen Landwirtschaftsministeriums geleistet. Später haben wir in vielen Besprechungen und Telefonaten dann gemeinsam und konstruktiv an dieser Grundidee getüftelt. Wir haben über die Monate der Diskussion und Abstimmungen auch viel Offenheit für den Pferderennsport in den bayerischen Behörden erlebt. Dieses Modell ist gerade in der Anfangsphase auch viel auf Vertrauen gegenüber uns als Totalisatorbetreiber aufgebaut.

Und wie profitieren die Rennveranstalter vom „Straubinger Modell“
Von den Abzügen und der Rennwettsteuerrückerstattung sind Provisionen an Wettvermittler, die PMU und PMC, sowie eine geringe Lizenzgebühr an den Straubinger Rennverein zu bezahlen. Der Ertrag geht dann an den Rennveranstalter, der diesen Betrag aber zweckgebunden für den Rennbetrieb zu verwenden hat. Natürlich sind die Erträge aus den am deutsch-französischen Toto angebotenen Wettarten im Vergleich zum rein deutschen Toto je gewettetem Euro wesentlich geringer. Aber durch die Umsatzhöhe gleicht sich das um ein Vielfaches wieder aus. Zudem haben die Rennveranstalter ja noch die Erträge aus den deutschen Dreier-, Vierer- und V-Wetten in ihrer Kasse.

Auch der Galopprennsport kann davon profitieren?
Selbstverständlich kann das Straubinger Modell auf die PMU-Galoppveranstaltungen in Deutschland angewendet. Für mich war von Anfang an klar, dass wir das nur für Trab und Galopp machen. Aus meiner Sicht wäre dies gerade für die Winterrenntage des deutschen Galopps ein interessantes Modell, aber ebenso für die Mittags- und Abendtermine. Aber wie gesagt: Alles beruht auf Freiwilligkeit.

Was war die Motivation, dieses Modell zu entwickeln?
Für mich war und ist es immer ein Irrsinn, dass wir bei unseren PMU-Rennen im deutschen Toto einen Siegumsatz von 300 Euro haben und gleichzeitig im PMU-Toto mindestens 30.000, nicht selten an die 100.000 Euro. Deshalb bin ich schon zu Beginn des letzten Jahres mit einem Antrag an die LfL herangetreten, beide Totosysteme bei den Straubinger PMU-Renntagen zusammenzuführen. Das wurde auch genehmigt. Wir haben das in Straubing mit unserer Mannschaft relativ kurzfristig umgesetzt. Und die Reaktion der Wettkunden hat mir damals Recht gegeben. Dann hab ich mir einfach Gedanken gemacht, wie wir auf Basis des Rennwett- und Lotteriegesetzes einen Weg finden können, damit auch die Rennveranstalter in den anderen Bundesländern profitieren können.

Verändert sich das Wettverhalten?
Aus meiner Sicht schon, denn die Siegwette ist wieder interessant und lukrativ. Selbst auf der Bahn haben wir jetzt wieder Wettkunden, die ein Pferd wieder für einen höheren Betrag wetten und dabei sicher sein können, dass ihr Favorit am Toto nicht gleich abstürzt. Den größten Umsatzanteil haben ja auch die Sieg- und Platzwetten. Wir beobachten zudem, dass die Totowette auch wieder für den Buchmacherwetter interessant wird, zumal er sich bei uns die Buchmachersteuer spart. Nach einem Jahr kann ich sagen: Wir haben absolut richtig entschieden, die Umsätze haben sich positiv entwickelt. Zu meiner Überraschung haben wir mittlerweile auch bei den nur in Deutschland angebotenen Wetten an PMU-Renntagen ein leichtes Umsatzplus.

Die deutschen PMU-Umsätze schwanken aber sehr stark?
Das ist ein Phänomen, das wir gleich bei den ersten Renntagen beobachten konnten, als wir den deutsch-französischen Toto angeboten haben. Der deutsche Anteil am PMU-Gesamtumsatz eines Renntags schwankte im Jahr 2017 in Straubing zwischen vier und 13 Prozent. An einem Mittwochmittag haben wir einmal knapp über 36.000 Euro Umsatz generiert, bei den Winter-Samstagen mehrmals die 100.000er-Marke übersprungen. Aber trotzdem: Wir reden hier von nur fünf Rennen, die zu bewetten sind. Diese Zahlen zeigen mir, dass unser Produkt Pferdewette wettbewerbsfähig ist, wenn die Rahmenbedingungen für die Wettkunden stimmen.

Sind PMU und „Straubinger Modell“ damit der Rettungsanker für den deutschen Pferderennsport?
So würde ich das nicht sagen. Aber es ist zumindest eine sehr wertvolle Hilfe, um aus dem Tal, in dem wir uns noch immer befinden, herauszukommen. In den kommenden sechs, sieben Jahren ist das Engagement der PMU in Deutschland abgesichert, auch in etwa die Anzahl der Rennen. Voraussetzung ist natürlich immer, dass wir das ordentlich machen. Diese Zeit müssen und können wir nutzen, um unser System der Rennen und des Wettmarktes wieder auf Vordermann zu bringen – in meinen Augen geht das grundsätzlich nur, wenn Trab und Galopp hier gemeinsam in die gleiche Richtung marschieren. Von notwendigen Änderungen in den Strukturen möchte ich noch gar nicht sprechen. Unabhängig davon brauchen wir aber jetzt auch investitionsbereite Besitzer und motivierte Aktive, die die schönen Seiten und tollen Momente des Sports nach draußen tragen.