Ein Tag Pause zum Geburtstag
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Heinz Wewering bei einem seiner über 16.000 Siegen im Juni 2009 in Pfarrkirchen, wo er für die Farben von Marion Jauß die dreijährige Stute Ivoire siegreich präsentierte. (Foto: mel) |
(mspw). Mit dem Sulky ist Heinz Wewering, rechnet man alle von ihm bestrittenen Trabrennen zusammen, mehrfach um die Welt gefahren. Mehrere zehntausend Mal hat er sich hinter dem Startauto eingereiht. Mehr als 16.300 Siege konnte er feiern. Am 28. Januar wird der 29-fache deutsche Fahrer-Champion 60 Jahre. „Zehn Jahre darf ich laut Statuten noch an Rennen teilnehmen. Und das habe ich auch vor“, gibt sich „Heinz the Champ“, trotz solcher Größen wie Hänschen Frömming und Eddy Freundt Deutschlands erfolgreichster Trabrennfahrer aller Zeiten, kämpferisch wie eh und je. Ob er das, wie jetzt für seine Chefin Marion Jauß (Neritz), weiter in der Doppelfunktion als Trainer und Fahrer machen wird, hängt vor allem von seiner Gesundheit ab. Noch fühlt er sich fit, gönnt sich freilich inzwischen ab und zu auch mal einen freien Tag. An seinem 60. Geburtstag „will ich mal pausieren und durchschnaufen“, sagt er. Drei Tage später hat er einen Besuch auf der berühmten Trabrennbahn in Paris-Vincennes ins Auge gefasst, wo am Sonntag mit dem Prix d’Amerique eines der schwersten und wertvollsten Trabrennen der Welt vor wohl wieder 60.000 Besuchern ausgetragen wird. Wewering will als Zuschauer dabei sein.
Ein wenig Sehnsucht dürfte mitschwingen, wenn der gebürtige Münsterländer, der mit acht Geschwistern aufgewachsen ist, Richtung Paris aufbricht. Mehrfach in seiner unvergleichlichen Karriere trug er sich mit dem Gedanken, sich beruflich in Richtung Frankreich zu verändern. „Dort hat der Trabrennsport einen höheren Stellenwert. In nahezu jedem Ort gibt es eine Rennbahn. Pferderennen sind so etwas wie Volkssport.“
Es blieb bei Überlegungen. Heinz Wewering nahm nur ein einziges Mal am Prix d’Amerique teil, landete mit Unique James 1993 auf Rang 13. Es ist eines der wenigen bedeutenden Rennen in Europa, das der zweifache Welt- und vierfache Europameister nie gewinnen konnte. „In Frankreich wird die Musik gespielt. Und wenn du dort nicht ständig vor Ort bist, hörst du auch nicht das Lied, das gespielt wird“, ist seine Erkenntnis darüber, dass er im Nachbarland nicht den Stellenwert genoss wie in seiner Heimat, wo er alleine sieben Triumphe im Deutschen Derby und sogar neun Siege im Stuten-Derby feierte. Hinzu kommen unzählige Erfolge in hochdotierten nationalen und internationalen Rennen.
Dass er bei den Trabern landete, war seiner Körperstatur zuzuschreiben. Eigentlich wollte er zu den Galoppern, bei denen sein Onkel Theo Grieper unter anderem als Privattrainer für das Traditionsgestüt Röttgen (Köln) tätig war. Für einen chancenreichen Jockey brachte Heinz Wewering zu viele Pfunde auf die Waage. Deswegen „flüchtete“ er sich zu den Trabern, wo er in sportlicher Hinsicht ein echtes Schwergewicht wurde.
„Wenn du fleißig bist, dann geht vieles von allein“, sagt er über seine glanzvolle Karriere, womit er zweifellos untertreibt. Workaholic Wewering ist so sehr mit den Rennpferden verwachsen, dass er ein Pferd, ohne es zu sehen, alleine am Huf-Geräusch identifizieren kann.
In den Glanzzeiten des Sports gegen Ende des 20. Jahrhunderts schätzte er die Entwicklung wohl nicht richtig ein. Das Wettgeschäft verlagerte sich ins Internet. Die Umsätze wurden teilweise ins Ausland umgeleitet. Die Erträge aus dem Wettgeschäft, mit denen die Veranstalter den Rennbetrieb finanzieren, gingen zurück. Mit ihnen auch die Rennpreise. Die Zahl der Besitzer und Züchter schrumpfte. Dadurch brach auch das Verkaufsgeschäft mit Rennpferden, von denen Wewering sehr viele hatte, drastisch ein.
Heinz Wewering wechselte Mitte 2006 für knapp eineinhalb Jahre nach Italien. Inzwischen ist das deutsche Aushängeschild unter den Trabrennfahrern wieder zu den Wurzeln zurückgekehrt. In den beiden letzten Jahren triumphierte er erneut mit zwei beeindruckenden Siegen im Stuten-Derby für seine im Rennsport sehr engagierte Chefin Marion Jauß.
In der Fahrerstatistik freilich wurde er 2009 mit 118 Siegen „nur“ Dritter, nachdem er nahezu drei Jahrzehnte (!) lang bis 2006 die Branche dominiert hatte. Grund: Er fährt längst nicht mehr so viele Rennen wie die nachrückenden „Youngster“ Michael Nimczyk (23/Willich) und Roland Hülskath (34/Mönchengladbach), die im Championat vor ihm landeten.
Und weil er zwar immer noch von morgens bis abends arbeitet, dabei zwischen seinem neuen Wohnort Hamburg und dem Jauß-Gestüt in Neritz pendelt, aber nicht mehr wie früher pro Jahr im Schnitt 500 Rennen gewinnt, wird es wohl nichts mit seinem Ziel, „vielleicht sogar 20.000 Rennen gewinnen zu können“. Diese Marke hatte er genannt, als er 50 Jahre wurde. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen für solche Ziele geändert, auch wenn „man intensiv an einer Trendwende arbeitet“, so Wewering, der ergänzt: „Auch wenn die Wende gelingt: 20.000 Siege für mich werden wohl Utopie bleiben.“
Auch der Zucht- und Trabrennverein Straubing reiht sich in die Schar der Gratulanten und wünscht dem aktuellen Bronzehelm alles Gute zum Geburtstag, vor allem aber Gesundheit und immer das „richtige Händchen'.